Christian Prudhomme hat immer davon geträumt, an der Tour de France teilzunehmen, eine Leidenschaft, die ihn von klein auf begleitete. Er verfolgte die Tour und schrieb jahrelang als Journalist darüber, hätte aber nie gedacht, dass er einmal Direktor werden würde.
france.fr: Direktor Prudhomme, die Tour de France 2024 wird zum ersten Mal in Italien starten und sie sagten: «Es ist ein Traum, von Italien aus zu starten, dem Land der Champions, die den Radsport zu einer Legende gemacht haben.» Wie ist es dazu gekommen?
Florenz hatte sich bereits 2014 beworben, aber im selben Jahr hatte sich auch Grossbritannien mit der Region Yorkshire beworben: Die Tour de France 2012 wurde von einem Engländer, Bradley Wiggins, gewonnen. Und er war es, der die Olympischen Spiele 2012 in London offiziell eröffnete, in Anwesenheit von Königin Elizabeth und Daniel Craig, dem James Bond des Kinos (wir alle erinnern uns an den Hubschrauberabsprung mit der Queen, die natürlich ein Double war). Es gab keine Alternative: In diesem Jahr musste die Tour in Grossbritannien starten. Dann kam die Pandemie und der Grand Départ aus Italien wurde immer wieder verschoben. Bis mir im Jahr 2020, nur wenige Tage nach dem ersten Lockdown, der Bürgermeister von Florenz, Dario Nardella, ein Video des «schönen und verlassenen» Florenz schickte, das mich an dieses Versprechen erinnerte. Und das wird nun endlich wahr, worauf ich besonders stolz bin.
france.fr: Welche Verbindungen gibt es zwischen unseren beiden Ländern bezüglich des Radsports?
Italien ist das grosse Land des Radsports, das Land der grossen Champions. Es ist kein Zufall, dass neben der Kandidatur von Florenz auch die von Piemont, der Region von Fausto Coppi, dabei war. Und alles war natürlich mit Frankreich verbunden, mit dem Aufstieg zu den Hügeln der Alpen. Italien war also das Land, von dem aus die Tour 2024 schliesslich starten sollte. Florenz und die Toskana, die Emilia-Romagna, das Piemont mit seinen Wein- und Trüffelhügeln, Turin und schliesslich Frankreich: Zwischen unseren beiden Ländern gibt es eine ideale Verbindung, was Sport, Natur und Kultur betrifft. Und diese Verbindung nimmt mit dem ersten Grand Départ von Italien aus konkrete Formen an.
france.fr: Ist dies der Beginn einer dauerhaften Zusammenarbeit?
Unsere beiden Länder haben so viel gemein: gemeinsame Wurzeln, Geschichte, Kultur, Kunst, Landschaft, Gastronomie – und ich bin ein wahrer Verfechter der Weissen Trüffel von Alba! Ganz zu schweigen von den Weinen ... Und die Strecke der Tour in Italien folgt den Spuren grosser Radsportler: Sie führt über die Strassen von Gino Bartali, von Fausto Coppi, der 1952 während der Tour die höchsten Berge der Alpen bezwang, von Gastone Nencini, der 1960 die Tour de France gewann und Präsident De Gaulle die Hand schüttelte (in diesem Jahr führt die Tour in Colombeyles-Deux-Eglises vorbei, wo der General begraben liegt), sowie von Marco Pantani. Pantani ist in Italien immer noch ein grosser Mythos, ich erinnere mich an die Emotionen bei seiner Beerdigung, der ich beiwohnte.
france.fr: Eine Zusammenarbeit auch im Namen des Tourismus…
Der Tourismus und die Tour de France sind eng miteinander verbunden: Nach der Pandemie war der erste Minister, der mich kontaktierte, der Minister für Tourismus Jean-Baptiste Lemoyne. Wie bei allen grossen Radrennen liefern die Aufnahmen aus der Luft der Hubschrauber und Drohnen aussergewöhnliche Bilder, die dazu verleiten, die Orte zu entdecken, durch die das Rennen führt. Dieses Jahr sind es die Schönheiten von Florenz, einer magischen Stadt, Bologna, Turin, die Alpen, das Herz Frankreichs, die Pyrenäen und dann das Meer, um an der Côte d'Azur in Nizza zu enden. Eine grosse Chance für den Tourismus!
france.fr: Der Radsport ist Ihre Lebensentscheidung und Ihre persönliche Leidenschaft. Können Sie uns sagen, wie es dazu kam? Und wer sind die Champions, die Sie am meisten bewundert haben und noch bewundern?
Es ist eine Leidenschaft, die schon in der Kindheit begann, mit meinem Vater, meiner Mutter, meinem Bruder. Es war 1968, ich war 7 Jahre alt. Wir verfolgten die Tour hauptsächlich über das Radio, bei der Ankunft einer Etappe gingen wir hin und schauten zu, diese ganze Welt der Journalisten war aufregend ... Und da waren die grossen Radrennfahrer, wie Eddy Merckx, Felice Gimondi ... Und nach der Etappe, am nächsten Tag, nahmen mein Bruder und ich das Rad und wir folgten der Route der Fahrer, das war ein echter Nervenkitzel.
france.fr: Sie begannen als ganz junger Journalist, wurden Profi und sind seit 2007 Generaldirektor der Tour de France. Welchen Stellenwert hat Ihre Ausbildung und wie wirkt sie sich auf Ihre Rolle aus?
Dass ich Journalist geworden bin, verdanke ich der Tour, diesen Kindheitserinnerungen, den ersten Aufträgen mit 18. Das war schon immer meine Leidenschaft und meine Erfahrung war sicherlich ausschlaggebend für meine Er[1]nennung zum Direktor, eine Aufgabe, die ich mir nie hätte träumen können und die mich heute mit Stolz erfüllt.
france.fr: Heute erlebt der Radsport eine neue Blütezeit: Die Zahl der Zweiradbegeisterten steigt und der Radtourismus nimmt zu. Wie sehen Sie die Beziehung zwischen Sport und dem Wachstum eines neuen aktiven und nachhaltigen Tourismus?
Die Tour treibt die Entwicklung des Radtourismus und die Verbreitung der Leidenschaft für das Radfahren an. Dies trifft sowohl auf den täglichen Gebrauch des Fahrrads und dem der Profis zu. Paradoxerweise sind es heute vor allem die Kinder, die nicht mehr Fahrrad fahren. In den 1960er Jahren haben wir viel das Rad genutzt, sind zur Schule gefahren, haben Freunde besucht. Heute gibt es viele Kinder, die nicht wissen, wie man Rad fährt. Aus diesem Grund gibt es in Frankreich das Programm «Savoir Rouler à Vélo», das Kindern in der Schule das Radfahren beibringt, damit sie selbstständig sind, sich bewegen und lernen, sich auf ökologische und wirtschaftliche Weise fortzubewegen. Ein Projekt, an dem wir uns natürlich auch beteiligen. Es ist auch ein wichtiges Projekt, um eine Zukunft des grünen, nachhaltigen und entschleunigten Tourismus entlang der zahlreichen Radwege Frankreichs aufzubauen.
france.fr: Frauen im Radsport
Jetzt gibt es die Tour de France der Frauen und die Zahl der Teilnehmerinnen steigt stetig. Und es gibt auch immer mehr weibliche Fans, die den Radsport verfolgen: An den Strassenrändern während der Tour sind die meisten Zuschauer weiblich. Das Gefühl der Freiheit, das von einem Rad ausgeht, ist einzigartig und universell.
france.fr: Eine wahrhaft integrative Tour für diejenigen, die Rennen fahren, und für diejenigen, die zuschauen und anfeuern.
Ja, absolut. Hier in meinem Büro steht ein Foto von Raymond Poulidor, dem vielleicht berühmtesten Radrennfahrer Frankreichs, dem ewigen Zweiten. Aber er konnte sie alle vereinen. Ich erinnere mich, wie meine Mutter und meine Grossmutter, ihre Schwiegermutter, zusammen auf dem Sofa sassen und ihm beim Rennen zusahen: Sie verstanden sich ausgezeichnet, sie teilten dieselbe Leidenschaft. Die Tour hat diese aussergewöhnliche Kraft: Sie vereint und verbindet alle, Sportler und Zuschauer.
Von Rédaction France.fr
Die Redaktion von France.fr verfolgt die Trends und Neuigkeiten des Reiseziels, um Ihnen von einem Frankreich zu erzählen, das seine Traditionen erneuert. Geschichten und Talente, die Sie dazu bringen, unsere Gebiete zu entdecken.