Die Regisseurin Bénédicte Sire unternimmt einen kulinarischen Spaziergang durch das Marseiller Stadtviertel Noailles. Wir haben sie bei diesem nomadenhaften Essstreifzug rund um die Welt begleitet - ohne dabei das 1. Arrondissement von Marseille zu verlassen.
Saladin, im Allerheiligsten von Noailles
Fatiha El Keurti hilft allen Besuchern unter den zahlreichen Schätzen an Gewürzen, getrockneten und kandierten Früchten und Salzen (schwarz aus Hawaii, blau aus Persien, rosa aus dem Himalaja ...), ihre persönliche Perle zu finden.
Der Ruf des Meeres
Einen Steinwurf vom Vieux Port entfernt, umschmeicheln jodierte Meeresdüfte die Verkaufsstände von Toinou, einer wahren Institution in Marseille, die bereits seit den 1950er Jahren besteht. Seeigel aus Carry-le-Rouet, Austern aus Bouzigues, Seewölfe und Goldbrassen aus einer biologischen Aquakulturanlage auf den Frioul-Inseln vor Marseille - wir folgen gerne der Einladung von Nicolas Clément und verkosten vor Ort Austern und Garnelen.
Feinkostgeschäft
In einem schicken, rustikalen Ambiente genießen wir die provenzalische Stockfischspezialität „Brandade de morue“, Kalbspastrami und verschiedene gereifte Käsesorten. In den Regalen: Feigenchutney und Olivenpaste. Julia Sammut lädt uns in ihrem Feinkostgeschäft L'Idéal dazu ein, das Nonplusultra der mediterranen Produkte zu probieren. Auf ihr Urteil ist Verlass: Ihre Mutter ist Sterneköchin in dem Restaurant Auberge La Fenière in Lourmarin.
Paprika und Maniok
Kochbananen, Pak Choi, Taro, Sojasprossen - bei Tamky reist man von Asien nach Afrika. Die zehn Brüder und Schwestern, die gemeinsam das Geschäft ihres Großvaters führen, der 1979 aus dem Vietnam emigriert ist, bieten darüber hinaus auch asiatische Gerichte an, die jeden Morgen im Obergeschoss zubereitet werden. Das Highlight dieses Zwischenstopps: die frischen unfrittierten Frühlingsrollen.
Asiatische Düfte bei Tamky
Bei Tamky duftet es nach Koriander und Minze. „Vietnamesische Ravioli und Pfannkuchen?“ „Oben rechts", antwortet Carole Sy den Kunden wie aus der Pistole geschossen.
Feingebäck aus dem Orient
Bénédicte Sire erzählt auch über das Leben der Menschen hinter dem Tresen. Raouf Haaraf stammt aus Ghomrassen, einem Dorf im Süden Tunesiens, wo das Konditorenhandwerk in der Familie liegt und von Generation zu Generation weitergegeben wird. In der orientalischen Konditorei La Rose de Tunis stellt er Honigzigarren, Makrouds (Gebäcksorte aus Tunesien und Algerien), "Cornes de Gazelle" (arabische Mandelhörnchen) oder auch Baklava her.
Exotisches Obst und Gemüse
Die Gemüse- und Obstkisten sind überfüllt mit Orangen, Papayas und Maniok. Auf dem Platz der Rue Halle Delacroix wird in der Sonne auf den Verkaufsständen des Royaume des Saveurs (dt. Königreich der Geschmäcke) exotisches sowie heimisches Obst- und Gemüse feilgeboten. Eine der exotischten Gemüsesorten ist dabei wohl „Gombo“ (dt. Okra). Die geometrisch geformte längliche grüne Gemüseschote ist der Star der afrikanischen Küche. Momo, der Chef, bedient Sie immer mit einem Lächeln.
Lebleli ist der Name einer mit Harissa (scharfe Gewürzpaste aus dem Maghreb), Olivenöl, Zitronensaft, Knoblauch und Kümmel gewürzten Kichererbsensuppe. Zusammen mit den beiden tunesischen Spezialitäten „Kefteji“ (Ratatouille mit Ei) und „Ojja“ (Tomaten mit Ei) ist sie der Grund, warum man zur Mittagszeit im tunesischen Restaurant Chez Yassin kaum einen freien Tisch findet.
Rum von den Inseln
Ganz oben in der von ihren Bewohnern mit großer Sorgfalt begrünten Rue de l‘Arc befindet sich die Epicérie Créole. Weit mehr als nur ein kapverdisches Lebensmittelgeschäft ist sie zugleich ein Plattenladen, ein Ort, an dem man Neuigkeiten aus der Heimat austauscht, und eine Bar: In einem vor neugierigen Blicken versteckt wirkenden Nebenraum bietet uns Alessandrina Gomes ein Glas Rum mit Zuckerrohrhonig und einem Hauch von Zitrone an.
Vor dem Stand voller Lokums und verschiedener Nougatsorten von Saladin läuft uns das Wasser im Mund zusammen: pralle pastellfarbene, mit Puderzucker bestäubte, mundgerechte Würfel und andere pistazien- oder mandelgefüllte Köstlichkeiten.
Magische Gewürze
Im Paradis d’Epices (dt. Gewürzparadies), umgeben von Weihrauchpyramiden und von der Decke hängenden Geflechten aus getrockneten Pflanzen, bereitet Ali, der ursprünglich aus Dschibuti stammt, Salben und… Zaubertränke zu.
Espresso oder Minztee
Auf dem Platz des Marché des Capucins (dt. Kapuzinermarkt) heißt uns Pierre Auteroche im Café Prinder willkommen. Es wurde 1925 von seinen aus Italien stammenden Schwiegereltern, den Prin-derre, gegründet und ist eines der ältesten Unternehmen der Stadt.
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Von Charlotte Cabon
Journalistin