Mit dem Rollstuhl unterwegs auf Korsika

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n der Hauptsaison bieten die Badstrände eine Infrastruktur speziell für Menschen mit Behinderungen
© Timo Hermann - n der Hauptsaison bieten die Badstrände eine Infrastruktur speziell für Menschen mit Behinderungen

Lesezeit: 0 MinVeröffentlicht am 23 Februar 2015

Ein Reisebericht von Timo Hermann

Als “Île de Beauté“, zu deutsch “Insel der Schönheit”, wird die Mittelmeer-Insel Korsika im Französischen bezeichnet. Und das nicht ohne Grund: die starken Kontraste zwischen karibikartigen Stränden am Meer und dem sich im Hintergrund auftürmenden Gebirge, der Duft der “Maquis” und das typisch französische “savoir-vivre” (obgleich Sie niemals einen Korsen als Franzosen bezeichnen sollten!) machen Korsika einzigartig.

Doch wie gut ist Korsika eigentlich für Urlauber mit Rollstuhl geeignet? Ein Reisebericht, der einen zweiwöchigen Korsika-Aufenthalt (auch) aus Rollstuhlfahrer-Sicht beleuchtet.

Korsika – ein wenig Landeskunde

Die Insel liegt nördlich von Sardinien im Mittelmeer und fällt jenen, die auf dem Seeweg anreisen, schon sehr bald auf: Weithin sichtbar ist das Bergmassiv im Landesinneren, das mit dem Monte Cinto als höchstem Berg mehr als 2.700 Meter hoch aus dem Meer ragt.

Die krassen landschaftlichen Kontraste haben auch die Wahl unserer Region auf Korsika beeinflusst. Die felsige, von Klippen geprägte und wildromantische Küste im Westen Korsikas ist für Rollstuhlfahrer sicherlich anstrengender zu erkunden, weshalb wir uns für die etwas flachere Ostküste am “Extrème Sud”, der südlichsten Region vis-à-vis von Sardinien, rund um Porto-Vecchio und Bonifacio entschieden haben.

Barrierefreiheit auf Korsika

Schon seit langem gibt es in Frankreich ein Gesetz, das von Staat und Kommunen die Schaffung von zugänglichen öffentlichen Einrichtungen verlangt (“Loi Handicap”). Inklusion ist in Frankreich ein zentrales Thema und wird aktiv vorangetrieben, von der geplanten Umsetzung bis 2015 dürfte aber selbst das Festland noch einige Zeit entfernt sein.

Korsika ist davon noch deutlich weiter entfernt: Wer mit dem Rollstuhl auf Korsika Urlaub machen möchte, muss Improvisationstalent mitbringen – und das auch wollen. Die Bemühungen der Kommunen und der Verwaltung, sukzessive Barrieren abzubauen, sind klar erkennbar, aber bisher nur stellenweise wirklich gut umgesetzt. Angesichts der Struktur der Insel, der Natur und der teils uralten Städte und Dörfer werden hier auch die Planer vor große Herausforderungen gestellt, die nicht über Nacht umgesetzt werden können.

Ankunft am Flughafen Bastia

Am Flughafen Bastia sollten Rollstuhlfahrer keinerlei Probleme haben: Servicepersonal für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen ist hier ebenso selbstverständlich verfügbar wie nötige Hilfsmittel für den Transfer. Das Terminal ist ohnehin winzig, und auch die Mietwagen-Parkhäuser sind mühelos erreichbar. Eine Bahn fährt quer über die Insel und verfügt inzwischen sogar über rollstuhlgerechte Züge, während uns kein rollstuhlgerechter Überlandbus aufgefallen ist – einzig in einzelnen Städten mag es Linienbusse geben, die für Rollstuhlfahrer nutzbar sind. Als größere Hindernisse haben sich bei unserem Aufenthalt zwei Punkte herauskristallisiert: Gehwege und Toiletten.

Erstere sind je nach Region in einem erbarmungswürdigen Zustand und enden gerne auch in sogenannten Bordsteinfallen, also vor hohen Bordsteinen ohne Schräge. Hin und wieder werden auch Laternen in die Mitte des Gehwegs gebaut oder Bäume an selbige Stelle geplanzt, und wenn all das nicht der Fall ist, kann es schon passieren, dass ein frustrierter Autofahrer die (oft langwierige) Suche nach einem Parkplatz aufgegeben und sein Gefährt mitten auf dem Gehweg abgestellt hat. Umwege sind hier für Rollstuhlfahrer keine Seltenheit.

Und a propos Parken: Korsika verfügt in einigen Regionen über eine großzügige Anzahl an Parkplätzen für Rollstuhlfahrer – doch wie schon auf dem Festland staunten wir auch hier, wie viele Menschen offenbar über die nötige Parkberechtigung verfügen. Da fährt schon dann und wann ein recht jung und dynamisch wirkender Fahrer vor, legt den Ausweis in die Windschutzscheibe und hüpft vergnügt über die kurze Parkplatzsuche voller Elan von dannen. Apropos: der blaue Parkausweis für Schwerbehinderte (europäisches Modell), der in Deutschland ausgestellt wird, besitzt auch in Frankreich Gültigkeit. Allerdings berechtigt er nicht zum Parken im Halteverbot und befreit auch nicht von eventuellen Parkgebühren.

Toiletten sind ein weiteres durchwachsenes Kapitel. Lokale mit rollstuhlgerechten Toiletten sind uns nicht begegnet, öffentliche Toiletten rar. In Ajaccio hielten wir es für eine gute Idee, die Rollstuhl-Toilette im Kreuzfahrt-Terminal zu nutzen – schließlich dürfte uns hier doch eine annehmbare Umgebung erwarten. Selten erfolgte auf so hohe Erwartungen eine so herbe Enttäuschung: eine Beschreibung des hygienischen Zustands dieser “Toilette” mag ich Ihnen, werter Leser, nicht zumuten, doch schon die rein baulichen Mängel waren kaum aufzuzählen. Kurzum, dieses Örtchen möchte man nicht einmal seinem ärgsten Feind zumuten.

Das Fährterminal von Bastia hingegen, um wieder etwas versöhnlich zu werden, konnte mit einer durchaus akzeptablen Toilette aufwarten. Grundsätzlich seien jedem Leser an dieser Stelle Desinfektionstücher, eine Wäscheklammer und ein wenig akrobatische Fähigkeiten ans Herz gelegt, möchte er sich denn auf das Abenteuer öffentlicher Toiletten auf Korsika einlassen.

Korsische Städte am “Extrème Sud”

Porto-Vecchio

Porto-Vecchio (korsisch Porti Vechju) ist eine alte Hafenstadt und stellt die drittgrößte Stadt der Insel dar. Die touristischen Zentren lassen sich grob in die Haute Ville, also die auf dem Berg gelegene Oberstadt, sowie in den Hafenbereich unterteilen. Die Gegend um den Hafen wartet mit zahlreichen Restaurants, Bistros und Cafés auf und ist für Rollstuhlfahrer recht gut nutzbar.

Der Weg in die Haute Ville mit ihren unzähligen Restaurants, Geschäften und Sehenswürdigkeiten wie dem Genuesertor, der Kirche, dem Rathaus oder der alten Festung (Bastion) ist extrem steil und mit dem Rollstuhl kaum zu bewältigen. Besser direkt mit dem Auto in die Oberstadt fahren und dort einen Parkplatz suchen.

Tipp: an Sonntagen findet morgens rund um das Rathaus ein Wochenmarkt statt, auf dem regionale Erzeuger korsische Produkte und Spezialitäten wie den berühmten korsischen Schinken (Lonzu), luftgetrocknete Salami (Figatellu), Obst, Gemüse, Liköre (Liqueur de Myrthe oder Liqueur de Citron!) und vieles mehr zum Probieren und Kaufen anbieten.

Restaurant-Tipp: “U Corsu” am Fährhafen – leider kein rollstuhlgerechtes WC, aber voll zugänglich, ein Rollstuhl-Parkplatz direkt vor dem Haus, freundlicher Service und leckere korsische Spezialitäten. (Details bei Wheelmap.org)

Weingut-Tipp: Die “Domaine de Torraccia” liegt nur 20 Fahrminuten entfernt in Lecci. Ein wenig abgelegen findet sich dort ein riesiges Weingut, das auf ökologischen Anbau setzt. Im Gebäude selbst ist zwar nur das Erdgeschoss zugänglich. Dafür ist das Personal völlig entspannt im Umgang mit Rollstuhlfahrern, improvisiert einfach und schafft es so, problemlos den gesamten Herstellungsprozess der (im Übrigen sehr empfehlenswerten!) Weine zu erklären. Im Anschluss gibt es noch eine Weinverkostung und die Möglichkeit, die eine oder andere Flasche für den Abend oder die Lieben zu Hause zu erwerben. (Details bei Wheelmap.org)

Bonifacio

Bonifacio (korsisch Bunifaziu) liegt am südlichsten Zipfel von Korsika. Bonifacio lässt sich ähnlich gliedern wie Porto-Vecchio: es gibt den Hafen am Fuß der Kreidefelsen, der für Rollstuhlfahrer extrem gut ausgebaut ist. Die Bemühungen der Verwaltung sind hier von allen uns bisher bekannten korsischen Orten am deutlichsten erkennbar.

Dann gibt es die Oberstadt innerhalb der Festung – und die ist für Rollstuhlfahrer naturgemäß entgegen dem Hafen durchaus als abenteuerlich zu bezeichnen. Sie zu erkunden, bleiben lediglich zwei Möglichkeiten: mit dem Auto nach oben und von dort aus losmarschieren, oder mit einem der Ausflugsbähnchen, die am Hafen mit ihrer Tour starten, nach oben fahren. Hier ist es erforderlich, dass Rollstuhlfahrer in die Bahn einsteigen können und auf einem normalen Sitz Platz nehmen, denn die Wagen verfügen wie fast überall über keine eigenen Rollstuhl-Stellplätze.

Die Strapazen lohnen sich allerdings allemal: der Blick von der Festung aus über das Meer (bei klarem Wetter bis nach Sardinien!) ist atemberaubend, ebenso wie die Impressionen der Kreidefelsen entlang des langgezogenen Küstenstrichs. Auch der Friedhof mit seinen vielen Mausoleen, die den Toten eine letzte Ruhestätte mit schier unglaublichem Ausblick bietet, sollten Sie sich nicht entgehen lassen.

Die Oberstadt selbst ist im Gegensatz zu Porto-Vecchio leider relativ steil. Zwar ist der Weg durch die Oberstadt von Bonifacio mit dem Rollstuhl recht kräftezehrend sowohl für den Rollstuhlfahrer als auch für seine Begleiter und längst nicht alles zugänglich, der Baustil und die vielen Aussichtspunkte lohnen aber in jedem Fall.

Im Hafen wurden wir auch fündig auf der Suche nach einem Ausflugsboot, das uns mitnimmt. Mehrere Routen sind dort möglich, wobei die Ausflüge zu den kleinen Inseln vor der Küste nur bedingt Sinn machen, weil Rollstuhlfahrer dort bestenfalls aussteigen können. Die Küstenroute ist hingegen problemlos möglich und bietet bei 30-45 Minuten Fahrzeit atemberaubende Schönheiten wie Grotten mit lila Wasser, das durch losgelöste Sedimente gefärbt wurde, zauberhafte Buchten inmitten der Kreideschluchten und vieles mehr. Tipp: Der Kapitän der GINA5, einem Glasboden-Boot der Reederei Gina Croisières, war extrem bemüht, half beim Überfahren vom Anleger auf das Boot und sorgte für einen Platz mit Blick auf den Meeresboden. Die Eindrücke der Fahrt werden wohl ewig hängenbleiben…

Berge

Die korsischen Gebirgszüge gehören zu den markantesten Merkmalen der Insel: wer beispielsweise von Porto-Vecchio aus mit dem Auto Richtung Zonza startet, findet sich binnen 90 Minuten auf knapp 1.000 Höhenmetern am Lac de L’Ospédale wieder, einem Stausee und Trinkwasserreservoir. Flachland-Tiroler werden schon nach 30 Minuten Fahrzeit Druck auf den Ohren bekommen (Kaugummi im Handgepäck macht für derlei Touren also absolut Sinn!). Wer glaubt, dass es das war, irrt: Vom Lac de L’Ospédale geht es erst einmal wieder abwärts, einige hundert Höhenmeter tiefer beginnt dann der nächste Anstieg bis ins malerische Bergdörfchen Zonza. Nach über zwei Stunden Fahrzeit wurden so also etliche hundert Höhenmeter bewältigt – aber nicht einmal 20 Kilometer Luftlinie von Porto-Vecchio aus.

Strände

Auch Korsika hat inzwischen einige Rollstuhl-zugängliche Strände. Dabei sollte beachtet werden, dass dies nur für die Hauptsaison von Juli bis Anfang September gilt, davor und danach gibt es weder Servicepersonal noch Einrichtungen. Selbst Matten und Stege über die Strände werden in der Nebensaison abgebaut – sowohl um Diebstahl und Vandalismus zu verhindern, als auch wegen eines noch viel wichtigeren Grundes: im Herbst und Winter hat das Mittelmeer nichts von dem friedlichen Bademeer, das die meisten Urlauber kennen. Gewaltige Stürme peitschen die Wellen bis weit aufs Land und nehmen alles mit ins Meer, was nicht niet- und nagelfest ist. Ende September können Urlauber so sogar dabei zusehen, wie plötzlich ein Bootsanleger vom Strand am Tau eines Bootes auf die Reise in den nächsten Bootsschuppen geht, um dort zu überwintern. Es ist also kein Unwillen der korsischen Kommunen, Rollstuhlfahrern nach der Saison noch Service und Infrastruktur zu bieten, sondern schlicht der Kampf gegen die Naturgewalten, um die Infrastruktur auch im kommenden Jahr wieder wohlbehalten anbieten zu können.

Mehr Infos

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Der Reisebericht wurde zur Verfügung gestellt von Timo Hermann

Von France.fr

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