Eine Sakraltour mit dem Motorrad durch Auvergne-Rhône-Alpes: ein Reisebericht von Snezana Simicic, Redakteurin bei Alpentourer.
Allgemein
Man muss nicht zwangsläufig gläubig sein, um den Besuch religiöser Stätten genießen zu können. In Auvergne-Rhône-Alpes genügen ein wenig architektonische sowie kulturhistorische Neugier vollkommen. Die Trennung von Kirche und Staat wird in Frankreich so konsequent betrieben, dass nicht nur religiöse Symbole in öffentlichen Einrichtungen konsequent verboten sind, sondern auch keine Daten über die Religionszugehörigkeit der Bevölkerung erhoben werden dürfen. Trotzdem gelten etwas mehr als die Hälfte als katholisch – und natürlich sind aufgrund der Historie auch in diesem Teil Westeuropas zahlreiche Sakralbauten zu finden.
Sakraltour beginnend in Lyon
Die Route ist knapp 300 Kilometer lang, die reine Fahrtzeit beträgt etwa sechs Stunden. Mit Besichtigungen sind zwei bis drei Tage einzuplanen. Lyon ist ein guter Ausgangspunkt, um auf den Spuren der Kirche in Auvergne-Rhône-Alpes zu wandeln. Die Hauptstadt der Region und Frankreichs zweitgrößte Metropole lohnt den Abstecher in ihr Verkehrsgetümmel rund um die manchmal unübersichtliche Altstadt. Von der Altstadt erreicht man in nur wenigen Minuten die Basilika Notre Dame de Fourvière und damit das weithin sichtbare Wahrzeichen Lyons. Schon seit dem zwölften Jahrhundert handelt es sich hier um geweihtes Terrain, denn bis 1562 thronte hier bereits eine Marien-Kirche hoch über der Stadt.
Ein Jahrhundert später raffte eine Pestepidemie viele tausend Lyoner dahin, was die damaligen Stadträte dazu brachte, der Gottesmutter auf „ihrem“ Hügel Goldtaler und Kerzen zu opfern und noch im gleichen Jahr den Bau einer Kapelle zu beschließen, da die Krankheit tatsächlich nur wenig später eingedämmt werden konnte.
Die heutige Basilika ist die Folge eines zweiten „Deals“. In 1870 tobte der Krieg zwischen Frankreich und Preußen; die Feinde standen bereits vor den Toren der Stadt. Wieder marschierten Politiker den Hügel hinauf, diesmal mit dem Versprechen eine wunderschöne Kirche zu bauen, wenn die Jungfrau Maria so gnädig wäre, die Stadt vor der Invasion zu verschonen. Die Bitte wurde erhört und in den folgenden beiden Jahren die noch heute zu bewundernde Kirche aus dem Stilmix Neu-Byzantinisch, Gotisch und Klassizistisch errichtet.
Romanisch-gothische Kathedrale
In der Altstadt gehört eine Besichtigung der romanisch-gotischen Kathedrale Saint-Jean, die zwischen 1165 und 1481 gebaut wurde, zum Pflichtprogramm. 1245 konnte die katholische Kirche ihre Macht hier überdeutlich demonstrieren, denn Papst Innozenz IV setzte während des Ersten Konzils von Lyon die Abdankung von Kaiser Friedrich II durch.
Bei genügend Zeit und Muße stehen in Lyon übrigens noch zehn weitere katholische Kirchen zu einem Besuch zur Verfügung. Doch nur wenige Fußschritte entfernt kann man sich in dem 2009 neu eröffneten Museum Gadagne zunächst mit der historischen Entwicklung von Lyon befassen: Stolze zehn Jahre Zeit und ein Investitionsvolumen von 30 Millionen Euro haben es sich die Stadt, das Departement, die Region und nicht zuletzt auch der Staat Frankreich kosten lassen, um es komplett zu sanieren und gleichzeitig zu erweitern. Seit dem Sommer 2009 können sich Besucher in 40 Sälen, aufgeteilt auf drei Gebäude, über die Stadtgeschichte informieren.
Ars-sur-Formans im Département Ain
Als nächste Station wartet das etwa 30 Kilometer entfernte Örtchen Ars-sur-Formans im Département Ain auf Erkundung. Zum Pflichtprogramm für Gläubige gehört ein Messebesuch in der Basilika, die hier gleich zwei Mal täglich (sonntags sogar vier Mal) gelesen wird. 450 000 Pilger empfängt die Diözese jährlich. Grund dafür ist der 1925 heilig gesprochene Priester Jean-Marie Vianney, der den Großteil seines Lebens in Ars als Seelsorger wirkte und sein Hauptaugenmerk dabei auf Hilfe für die Armen und Bedürftigen legte. Er gründete ein Waisenhaus und machte sich als engagierter Beichtvater für die kleinen und großen Sünden einen Namen.Sein Tod im Jahre 1859 markierte das Ende einer Ära und sorgte einige Jahre später für große Verwunderung: 1904 wurden seine in einer Gruft in Ars beigesetzten Überreste exhumiert. Es stellte sich heraus, dass der Leichnam nahezu unverwest war. Daher konnte er präpariert und seither in einem Bronzeschrein innerhalb der Basilika ausgestellt werden. Ein irritierender Anblick für Zartbesaitete.
Bourg-en-Bresse
Da tut ein wenig Fahrtwind zum gut 24 Kilometer entfernten Bourg-en-Bresse gut. Die Hauptstadt des Départements Ain markiert für kulinarisch Interessierte den Beginn der Route de Bresse, bei der man unter anderem das Geheimnis der populären Hühner entdecken kann. Liebhaber sakralen Erbes werden in der Basilika, der Kathedrale sowie im Kloster fündig. Letzteres kann zudem eine rührende Liebesgeschichte bieten: Margarete von Österreich war über den viel zu frühen Tod ihres Gemahls, eines Herzogs von Savoyen, dermaßen untröstlich, dass sie das Gebäude ab 1513 erbauen ließ. Nicht nur als Heim für Glaubensbrüder, sondern auch als späteres Familiengrab sollte es fungieren. Die Vollendung erlebte die Gute leider nicht mehr: Sie starb 1530 und damit zwei Jahre vor Ende der Baumaßnahmen. Ganz im Gegensatz zur nächsten Station waren die bisherigen Bauten alle „Heiligtümer zum Anfassen“. In der nur dünn besiedelten, dafür mit reichlich Kurven gesegneten Bergkette des Regionalen Naturparks Chartreuse darf die La Grande Chartreuse (die Große Kartause) – bis heute Mutterkloster des weltweit agierenden Kartäuserordens – nicht betreten werden, da sich die Ordensmitglieder, allesamt Männer, der Abgeschiedenheit und dem Schweigen verschrieben haben.
Picknick mit Blick auf die Klosteranlage
Die Fahrt zum kleinen Dorf Saint-Pierre-de-Chartreuse im Département Isère lohnt sich aber trotzdem, denn das aus dem 17. Jahrhundert stammende „Bruderhaus“ des Ordens ist in den vergangenen Jahren zu einem qualitativ sehr hochwertigen Museum umgestaltet worden. Bei schönem Wetter ist zudem ein Picknick in den Bergen, natürlich mit Blick auf die Klosteranlage, sehr zu empfehlen. Die letzte Station dieser Route markiert zudem deren Höhepunkt, gleichermaßen in frommer Hinsicht wie auch in Sachen Höhenlage. Bei der Basilika Notre Dame de la Salette bei Fallaveaux handelt es sich nämlich um den einzigen offiziell vom Vatikan anerkannten Wallfahrtsort in Auvergne-Rhône-Alpes. Nach Meinung der Kirchenoberen soll nachgewiesen worden sein, dass den beiden Hirtenkindern, der 15-jährigen Mélanie Calvat und dem elfjährigen Maxim Giraud, am 19. September 1846 – und damit zwölf Jahre vor der viel bekannteren Erscheinung von Lourdes in den französischen Pyrenäen – die weinende Maria erschienen sei. Ihr zum Gedenken wurde sechs Jahre später der Auftrag zu einer fast schon „überirdischen“ Basilika in 1 800 Metern Höhe erteilt. 1865 wurde der Bau inmitten der französischen Alpen, knapp vor dem Nationalpark Écrins, vollendet. Tausende Gläubige aus aller Welt pilgern seither in das fast verlassene Tal, in dem nur 70 Menschen leben – und dann natürlich mühsam zu Fuß den Berg hinauf. Wer eher profan eingestellt ist, kann aber auch mit dem Motorrad vorfahren.
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Von France.fr
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