In Frankreich und insbesondere in Paris ist das Savoir-Faire der Haute Couture lebendiger denn je. Wenige Tage vor der Metiers d'Art Show von Chanel haben wir unter den Webstühlen des Atelier Montex Mäuschen gespielt. In diesem Traditionshaus ist Stickerei eine moderne, immer wieder erneuerte Kunst.
Paris, rechtes Seineufer. Wir stoßen die Tür eines Pariser Hauses aus hellem Stein auf. Hier arbeiten auf fünf Stockwerken die Sticker und Stickerinnen des Atelier Montex, eines der 22 „Maisons d'Art“ von Chanel. Heute herrscht hier große Aufregung: In 24 Stunden müssen die letzten Modelle im Studio Chanel sein, von wo aus sie zur Show der Kollektion Métiers d’Art 2017/18 nach Hamburg transportiert werden.
Drei Wochen, um alles fertig zu stellen
Wir folgen Aska Yamashita, Artistic Director des Ateliers, vom Showroom zum Versand, von den Zeichentischen bis zu den Webstühlen. „Von den ersten Zeichnungen bis zur Show hatten wir ungefähr drei Wochen, um alles fertig zu stellen.“ Unsere entsetzten Blicke bringen sie zum Lachen: „Das ist kein Problem für uns! Manchmal ist die Deadline noch kürzer!“
Traditionelle Verfahren für absolut moderne Stickereien
An einem großen Tisch sitzen sieben Stickerinnen und fassonieren Froufrous aus Organza, Spitze und Krepp. Das Rattern der Cornely-Stickmaschine gibt den Takt vor. Diese Maschine, mit der man raffinierte, kreative Stickereien hervorbringen kann, wird in Europa fast nicht mehr verwendet, trägt aber zur Originalität des Hauses Chanel bei. Die Hakennadeln ziehen den Faden präzise durch den Stoff und holen ihn wieder hoch. Nach und nach entsteht ein wunderschönes dreidimensionales Motiv, das Resultat von Tausenden, auf dem Stoff montierten Lamellen aus farbigem Rhodoid. Die Technik scheint aus alten Zeiten zu stammen, das Stickwerk hingegen ist absolut modern.
Eine absolut zeitgenössische Stickereisprache
Unter den kunsthandwerklichen Berufen haben die Sticker einen Sonderstatus. „Weil sie zur ‚Haut‘ des Kleidungsstücks beitragen“, erklärt Maria Roques, Generaldirektorin des Atelier Montex. Und unter den Stickateliers nimmt Montex eine Sonderstellung ein: Mit neuen Techniken, neuen Texturen und dem Mix von Materialien und Motiven hat das Atelier eine absolut zeitgenössische Stickereisprache entwickelt – einen unverkennbaren Stil, den Karl Lagerfeld sehr schätzt.
Die ideale Begegnung zwischen Kunsthandwerk und Mode
Der Sinn der Métiers d'Art Show von Chanel ist die ideale Begegnung zwischen Kunsthandwerk und Mode, Savoir-Faire und Kreativität. Auch in diesem Jahr wieder wartet man im Atelier Montex ungeduldig auf diesen jährlichen Termin, der die kunsthandwerklichen Berufe der französischen Haute Couture so schön ins Licht stellt.
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Von Émilie Guilhen
Freie Texterin und Konzeptionerin in Paris.