Interview mit Pierre Lagrange: Tipps für Ihren Aufenthalt im Vaucluse

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Kerstin Schomburg - Fischer Verlag
© Kerstin Schomburg - Fischer Verlag

Lesezeit: 0 MinVeröffentlicht am 25 November 2016

Der unter dem Pseudonym Pierre Lagrange bekannte Krimiautor siedelt seine Mordfälle mit Vorliebe in der Provence an, genauer gesagt im Departement Vaucluse. Hier ein paar seiner Empfehlungen zu seiner Lieblingsregion.

Was ist Ihr persönlicher Lieblingsort im Vaucluse?

Das ist Venasque. Es ist kein großer Ort, auch nicht sehr touristisch oder spektakulär, eigentlich ein beliebiges Dorf. Aber es ist wunderbar auf einem Felsen gelegen und für mich eine Art komprimierte Provence. Die Aussicht ist großartig. Es gibt eine alte Stadtmauer, gute Restaurants und Galerien sowie eine sehr alte Kirche und viel Geschichte. Als ich mich einmal für die Historie von Venasque interessierte, dachte ich: Meine Güte! Dieses kleine Dörfchen war einmal Bischofssitz? Auch die Albigenserkreuzzüge, die Päpste, die Hugenottenkriege und die Französische Revolution haben dort ihre Spuren hinterlassen.

Was sollten Besucher, die zum ersten Mal im Vaucluse sind, auf jeden Fall machen?

Natürlich gibt es ein Pflichtprogramm. Man muss auf den Ventoux und die Geschäfte der Anitquitätenhändler in L'Isle-sur-la-Sorgue anschauen. Die Ockerbrüche in Roussillon sollte man sehen, unterwegs in Gordes stoppen und einen Abstecher zum Kloster Senanque machen. Fontaine-de-Vaucluse und Avignon gehören unbedingt zum Besuchsprogramm. Es gibt unzählige Galerien – hier ist eine Empfehlung nicht so leicht, denn es ist am schönsten, wenn man sie per Zufall entdeckt und so eine unmittelbare Begegnung mit der Kunst hat, die in der Region hergestellt wird. Damit meine ich nicht die für Touristen bestimmten kunsthandwerklichen Imitate von Impressionisten, sondern die von zeitgenössischen Malern. Es gibt viele Ausstellungen und natürlich Musikfestivals, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Die Region sprüht regelrecht vor Kultur und Geschichte.

Gibt es da bestimmte Empfehlungen?

Es gibt viele Museen, allein in Aix und Arles, Avignon bis runter nach Marseille. Natürlich sollte man sich unbedingt auf die Pfade von van Gogh begeben und mal in St. Rémy vorbeifahren. Das fand ich zum Beispiel mal sehr interessant, dort gibt es die römischen Ruinen von Glanum, aber auch viele Motive, die man in Bildern von van Gogh findet. Was kein Wunder ist: Dort steht die Abtei Saint-Paul-de-Mausole, die eine Nervenheilanstalt war, in der der Maler untergebracht war, nachdem er sich in einem Streit mit Paul Gaugin das Ohr abschnitt. Natürlich muss man sich in Aix-en-Provence auf die Spuren von Paul Cézanne begeben und sein Atelier sehen oder das Musée Granet. Das Les Rencontres d’Arles ist zudem ein großartiges Festival der Fotografie in Arles. Ich fotografiere selbst und mag die Fotografie als Kunstform sehr. Mir hat es da sehr gefallen, an die Strände von Arles zu fahren - zum Beispiel bei Saintes-Maries-de-la-Mer. Da sieht man zwar keine Kunst, aber der Deutsche Fotograf Peter Lindbergh, den ich sehr verehre, hat dort viel Mode fotografiert und zahlreiche ikonische Bilder geschaffen. Er liebte das Licht an den Stränden und hat dann meist alle anderen Lichtquellen auf den großen Sets ignoriert und seine Topmodels einfach pur fotografiert – nur die Nikon, das Licht von Arles, mehr hat es nicht gebraucht, um Meisterwerke zu schaffen.

Ihr Lieblingsspaziergang in der Region?

Man kann sehr viel unternehmen, aber am liebsten ist und war mir immer ein Gang durch Roussillon und die Ockerbrüche. Es ist eine enorme Schweinerei, denn die Farbpigmente, die in den Ockerbrüchen schon von den Römern abgebaut wurden, sind sehr pur und sehr schmierig. Man sollte also nicht die besten Schuhe und Sachen anziehen. Aber man wird belohnt mit einem fantastischen Canyon aus intensiven Farben – Rot, Gelb, der knallblaue Himmel, die grünen Pinien: Man meint dort, man sei direkt in ein Gemälde gefallen. Und auch hier stolpert man geradezu wiederum über die Kunst. Ohne Pigmente keine Farben. Als Kunstfreund sollte man eigentlich einfach bloß ziellos in der Gegend herumlaufen, in Arles, Aix, überall. Wer in der Natur und den Ortschaften unterwegs ist und die Malerei im Kopf hat, der kann die Inspiration der großen Maler atmen und versteht, was sie begeistert hat. Ich laufe auch gerne in den Ruinen herum – die Provence ist ja gepflastert mit römischen Relikten – oder Besuche alte Kirchen und andere Orte, an denen sich Geschichte atmen lässt. Davon gibt es wirklich sehr viele. Immer wieder hat mich zum Beispiel Aigues Mortes begeistert, das von alten Stadtmauern umschlossen ist und wirkt wie eine Kulisse aus einem Ritterfilm.

Warum das Vaucluse? Was verbindet Sie mit der Region?

Meine Mutter und ihr Mann hatten die Nase voll von Deutschland und haben ein kleines Hotel mit Restaurant in St. Didier aufgemacht. Es hieß "La Serignane", war früher einmal eine Seidenspinnerei und ein kleiner Geheimtipp vor allem unter deutschen Provencetouristen. Ich hatte daher immer schon vor, den Süden Frankreichs als Schauplatz für einen Thriller oder Krimi zu wählen. Außerdem ist die Region wirklich prallvoll mit Geschichte, die von der Steinzeit über die Antike bis heute reicht – eigentlich andauernd ist irgendetwas dort passiert, das sich wunderbar mit einem Spannungsroman verbinden lässt.

Gibt es für Ihre Figuren reale Vorbilder?

Nein. Es macht mir mehr Spaß, mir Figuren glaubhaft auszudenken und mit Attributen zu versehen, die ich für eine Geschichte benötige. Im Fall von Albin Leclerc war es allerdings andersherum. Ich hatte die Idee von einem pensionierten, störrischen Polizisten mit Hund, der nicht zum alten Eisen gehören will. In Deutschland spielen inzwischen viele Senioren Boule. Vor meinem geistigen Auge sah ich meinen Polizisten dort herumstehen und sich langweilen – und dachte eines Tages: Warum steht er nicht in der Provence herum, und zwar mit einem Pastis in der Hand und einer Gitanes im Mundwinkel? Der Rest geschah von selbst.

Was sollte man im Vaucluse unternehmen, um sich wie ein Einheimischer zu fühlen?

Ich empfehle, sich einfach mit einem Kaffee oder einem Rosé in ein Eckcafé zu setzen und dem Leben zuzuschauen. Danach steht man auf, geht über den Wochenmarkt und kauft ein paar Sachen, trinkt vielleicht irgendwo einen Rosé und isst danach im Freien unter einer Platane an einem alten Holztisch, wozu es einen Rosé gibt. Nach dem Essen macht man einen kleinen Spaziergang und stoppt irgendwo, um beim Petanque zuzusehen – und trinkt am besten noch einen Rosé...

Ein Ort bei schlechtem Wetter

Der Papstpalast in Avignon. Aber man darf nicht zu viel erwarten, wenn man zum Beispiel den Vatikan in Rom gesehen hat. Das Papstpalais in Avignon sieht eher aus wie eine schmucklose Festung, was wohl Ausdruck der kriegerischen Zeiten ist, in der die Päpste nach Südfrankreich zogen und sich dort den Palast bauten. Auch drinnen fühlt man sich eher an eine triste Burg erinnert, eine sehr große jedoch. Schmucke Fresken von großen Künstlern wie in Rom gibt es hier nicht. Aber hochinteressant ist ein Besuch in jedem Fall.

Im neuen Krimi "Trügerische Provence" spielt die Musik eine ganz große Rolle...

Es gibt zahlreiche Festivals in der Region. Die Musik ist mit der Provence so verbunden wie die Malerei. Es hat einfach was, wenn man vor historischer Kulisse klassische Musik genießt. Das sage ich als Rock-Musiker, der seit 30 Jahren in Rock-, Rockabilly und Punkbands Bass spielt und singt. Und man darf sich hier wirklich nicht vertun: Eine Menge klassischer Musiker sind ja durchaus so etwas wie Pop- oder Rockstars, und das Image der Branche ist absolut nicht so verstaubt, wie manche vielleicht glauben mögen. Das Gegenteil ist der Fall. Vor vielen Jahren habe ich einmal das Kronos Quartett gehört, und die spielten auf ihren Streichinstrumenten Jimi Hendrix. Das hat mich umgehauen. Viele der bekannten Festivals werden auch im Buch erwähnt, und es gefiel mir, einmal diese Seite der Provence zu beleuchten – die kulturelle, die musikalische. Zudem lebe ich in Detmold in einer Stadt, die eine international sehr angesehene Hochschule für Musik hat, mit der ich beruflich als Kulturredakteur sehr häufig Begegnung habe. Meine Stadt ist in der Hinsicht von der Musik also sehr durchdrungen.

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Gibt es schon neue Projekte, auf die wir uns freuen dürfen?

Aber absolut. Albin und Tyson haben noch eine ganze Menge zu erleben. Mit dem nächsten habe ich bereits begonnen. Und ich habe noch reichlich Ideen für kommende Fälle und Abenteuer. Natürlich kann ich hier allenfalls Andeutungen machen, worum es jeweils gehen wird. Das nächste Buch handelt zum Beispiel über absolut unglaubliche Vorgänge bei ... Ach. Wissen Sie. Nein, ich verrate es lieber doch nicht.

Mehr dazu:

Buchreihe: Ein Fall für Commissaire Leclerc:

Von France.fr

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